Vom Ergebnis her war der WSV-Erfolg in Kray knapp. Die Elf deutete aber an, dass sie an Qualität gewonnen hat. Während Rot-Weiss Essen am Sonntag in Bergisch-Gladbach strauchelte (1:2), erfüllte der WSV am Samstag seine Aufgabe bei Neuling FC Kray mit 1:0 knapp aber sicher. So mussten sich die Wuppertaler nach einer überzeugenden Leistung nur den Vorwurf gefallen lassen, durch eine nachlässige Verwertung der vielen herausgearbeiteten Chancen den erhofften Dreier nicht frühzeitig unter Dach und Fach gebracht zu haben.

Nach 90 fast durchweg starken Minuten am altehrwürdigen Essener Uhlenkrug gab es den verdienten Applaus der gut 300 mitgereisten WSV-Fans im Gästeblock. Anfeuerungsrufe hatten die sich an diesem Tage selbst untersagt, um ihrem in der Woche im Alter von 26 Jahren verstorbenen Kameraden Patrick „Ernie“ Piernikosch Respekt zu zollen.

Personalentscheidungen in der Wechselfrist zahlen sich aus

Respekt dürften sie auch vor den Personalentscheidungen der vergangenen Wochen zeigen. Denn mehr als der fünfte Dreier aus den vergangenen sechs Spielen, der den WSV auf Platz drei hievte (bis auf Spitzenreiter Viktoria Köln ließen alle Konkurrenten Federn), lassen drei „Treffer“ für die weitere Saison hoffen. Der WSV ist nicht geschwächt, sondern gestärkt aus dem Wechseltheater hervorgegangen.

Punkt eins: Wie goldrichtig es war, Torjäger Christian Knappmann nicht ziehen zu lassen, zeigt sich Woche für Woche. Auch am Samstag war der frisch motivierte Lange für das entscheidende Tor zuständig und liegt mit sechs Saisontreffern gemeinsam mit Silvio Pagano von Fortuna Köln schon wieder an der Spitze der Liga. Dass „Knappi“ dabei, wie zuletzt in Velbert, noch einige Chancen ausließ, konnte seine gute Gesamtleistung kaum mindern.

Mit Boztepe ist der WSV schwerer auszurechnen

Punkt zwei wiegt mindestens genauso schwer: Mit Mehmet Boztepe scheint es beim WSV wieder einen kongenialen Vorbereiter zu geben. Seine Verpflichtung für Robert Mainka, der beim WSV unter Wert gespielt hatte, gibt der Mannschaft eine entscheidende Qualität zurück, die ihr nach dem Weggang von Maciej Zieba gefehlt hatte: Unberechenbarkeit. Boztepes Gegenspieler konnte einem leidtun, wie er ein ums andere Mal von dem Haken schlagenden Dribbler eingedreht wurde. Und das war keine brotlose Kunst. So bereitete Boztepe nicht nur den Pfostenkopfball von Knappmann nach vier Minuten vor, sondern auch den zum überfälligen 1:0 (54.), und er war an vielen weiteren guten Offensivaktionen beteiligt.

Auch Marco Neppe, der von Trainer Bruns zwei Tage nach der Verpflichtung gleich von Anfang an gebracht wurde, hob die Qualität bereits durch seine Ballsicherheit auf der rechten Verteidigerposition an. Sicherheit strahlte am Samstag der gesamte Deckungsverbund aus. So gingen die wenigen Nadelstiche, die Kray setzen konnte, ins Leere.

Wie nachhaltig die Verbesserungen beim WSV sind, müssen erst die nächsten Wochen zeigen, wenn es mit Schalke, Wiedenbrück und Viktoria Köln innerhalb von sechs Tagen gegen Clubs anderen Kalibers geht. Doch diese Mannschaft macht wieder Spaß und hat auch auf der Bank noch viel Qualität.

WSV-Trainer Hans-Günter Bruns war nach dem Erfolg gelöst, auch wenn die letzten Minuten noch unnötig Nerven gekostet hatten. „In Kray muss man für den Erfolg hart arbeiten. Das hat meine Mannschaft getan und dabei richtig gut Fußball gespielt. Schade, dass sie sich für den hohen Aufwand nicht durch mehr Tore belohnt hat.“ Das fand auch Neuzugang Marco Neppe. „Wir hätten uns diesen Sieg einfacher machen müssen“, sagte der 26-Jährige, der auf seiner Position als Rechtsverteidiger auf Vorstöße noch weitgehend verzichtet hatte, aber durch gute Zuspiele auffiel.

„Ich hätte einen Drittliga-Spieler auch gleich spielen lassen“, meinte Krays Trainer Dirk Wißel ungefragt, als sein WSV- Kollege erklären sollte, warum er Neppe prompt von Beginn an gebracht habe. „Wuppertal wird mit Sicherheit unter den ersten Vier sein“, hob Wißel die Qualität des WSV hervor.

Der bescheidene Dribbler Mehmet Boztepe wartete unterdessen, bis Thomas Schlieter, mit dem er nach Essen gefahren war, mit der Dopingkontrolle fertig war und freute sich still über eine Szene, als sein Gegenspieler nach zwei Haken des Türken verdutzt nach ihm Ausschau gehalten hatte. „Da musste ich kurz lächeln“, meinte Boztepe, der ganz offenbar viel Spaß am Fußball hat.